BRMC: «Manchmal kommen wir sehr nahe ans Limit.»

Interview mit Black Rebel Motorcycle Club
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Promophoto / © by James Minchin III

Die beiden seit 1998 aktiven Gründungsmitglieder von Black Rebel Motorcycle Club (kurz BRMC), Robert Levon Been und Peter Hayes, empfingen Bäckstage vor ihrem Auftritt im Zürcher Komplex im Backstagebereich für ein Interview. Dabei haben sie uns verraten, wie es zum Titel des neuen Albums kam, welchen Einfluss Sigur Ròs dabei hatten und wie es für Robert war, für seinen Vater Michael Been nach dessen Tod bei den Comeback-Konzerten von The Call einzuspringen.

 

Momentan macht ihr eine Street-Art-Guerilla-Aktion mit Postern. Wird es auch Poster in Zürich geben?

 

Peter: Das ist eine gute Frage. Ich habe bisher noch keine aufgehängt und habe hier auch noch keine gesehen. Normalerweise hängen die Leute die Poster auf und schicken uns die Bilder via Facebook und Twitter und wir stellen sie online. Ich habe noch nicht geschaut, ob aus Zürich schon Bilder gekommen sind. Bis jetzt gab es das aber in jeder Stadt.

 

Was genau ist die Absicht dahinter?

 

Peter: Es gibt zwei Absichten. Die eine ist, dass jemand damit selbst begonnen hat und wir fanden, dass es toll aussieht. Deshalb haben wir mit ihm Kontakt aufgenommen und haben sein Design aufrecht erhalten. Leute haben dann ihre eigenen Plakate entworfen. Es ist eine Art, Kunst zu unterstützen. Jemand wird kreativ, kreiert Poster, Graffitis und solche Sachen. Es ist ein Teil unserer Mission, Kunst so weit zu unterstützen, wie es geht.

 

Anstatt «What happened to my rock’n’roll» fragt ihr auf einem Plakat: «What happened to the revolution?» Weltweit gehen momentan viele Revolutionen von statten. Sollte es noch mehr Revolutionen geben? 

Peter: Diese Passage kommt aus dem Song «Berlin». Manchmal fühlt es sich an, als ob die Leidenschaft, Bedürfnisse und Wünsche von Menschen gekauft und verkauft werden. Ich kann hier nicht wirklich Unternehmen anklagen, denn es sind eher Leute, die eklig sind. Ich kann nicht von Revolutionen in anderen Ländern sprechen, denn dort gehen wirklich sehr ernsthafte Dinge vor sich, aber ich kann von der USA sprechen und unserer Erfahrung mit unserer Regierung. Es ist der einzige passende Ort für mich, um meine Wut darauf zu beziehen.

 

 

Peter:  «What happened to my rock’n’roll?» ist eine fortlaufende Frage. Es ist eigentlich unsere Frage. Wir haben zuerst gefragt, deshalb ist es nicht passend, uns die Frage zu stellen.

 

 

Also auch auf den ganzen Kapitalismus?

 

Peter: Ja genau. Westliche Kultur, die irgendwie Kapitalismus ist. Es ist nicht ganz die Wahrheit, denn es gibt eine westliche Kultur, diese wird jedoch durch Kapitalismus gelähmt, was sehr schade ist. Aber es gibt auch gute Kunst und solche Sachen aus Amerika. Das ist etwas, was wir in Frage stellen mit unseren Fragen an die Gesellschaft.  

Und was passierte deinem Rock’n’Roll? Wie siehst du die Rock’n’Roll-Szene heutzutage?

 

Peter: Dies ist eine ständige Frage. Es war damals eine Frage, als wir den Song geschrieben haben und ist noch heute eine Frage. Eigentlich handelt es sich um eine interne Frage an den Hörer und höhere Mächte, die entscheiden, was im Radio gespielt wird. Es ist eine fortlaufende Frage. Es ist eigentlich unsere Frage. Wir haben zuerst gefragt, deshalb ist es nicht passend, uns die Frage zu stellen. (lacht)

 

Ihr spielt mit Dave Grohl auf dem Soundtrack zum Dokumentarfilm «Sound City» den Song «Heaven and All». Habt ihr diesen Song während den Aufnahmen zu «Specter at the Feast», das ihr im letzten Jahr herausgegeben habt, aufgenommen?

 

Peter: Ja, es war kurz bevor wir mit den Albumaufnahmen begonnen haben, aber im selben Studio.

 

Robert: Es war das erste Mal, dass wir in seinem Studio waren und nachdem wir diesen Song aufgenommen haben, hat er uns eingeladen, wiederzukommen, wenn wir weitere Songs zum Aufnehmen hätten.

 

Waren das die Sound City Studios?

 

Robert: Es war das Board, das Dave nach der Schliessung der Sound City Studios gekauft und in sein Studio gestellt hat. 

Peter: Wir haben Grundlagen aufgenommen, wie Schlagzeug, manche Sachen auf Gitarre und manche Sachen vom Bass. Die Basis der Songs wurde in diesem Studio aufgenommen. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde auch Gesang dort aufgenommen. Danach haben wir diese Sachen nach Hause genommen und uns Zeit gelassen, die Songs aufzubauen und den Rest der Musik aufzunehmen. Es ist also nicht zu 100% bei ihm aufgenommen worden. Wir nehmen viel in unseren Wohn- und Schlafzimmern auf. Auch sind wir in eine Blockhütte nach Santa Cruz gefahren und haben dort einige Sachen gemacht.

 

 

Peter: Wir mögen Sigur Ròs seit Beginn und waren gleich Fans. Das Interessante ist, dass ich unseren Song als echte Erlösung sehe, da es bei uns ähnlich ist, aber wir nie wirklich einen kompletten Song gemacht haben, der so wunderschön und ausgedehnt ist. Bis zu dieser Zeit haben wir nie so etwas gemacht und auch nie so aufgenommen – wir wussten nicht mal, ob wir überhaupt so aufnehmen wollten.

 

 

Der Albumtitel «Spectre at the Feast» kommt von Shakespeares Macbeth. Weshalb habt ihr diese Anlehnung gewählt?

 

Peter: Ich versuche, es kurz zu erzählen. Leah hat die Idee mit Macbeth eingebracht. Wir haben dann in New York eine Aufführung angeschaut, die daran angelehnt war. Es war eine Aufführung mit drei Geschichten in einem grossen Lagergebäude und wie bei einem Dinner-Theater wurde jeder involviert und war ein Teil der Aufführung …

 

Robert: … mit der Ausnahme, dass es kein Essen gab.

 

Peter: Aber es gab Getränke vorher. Es war eine tolle Sache zum Erleben und es hat viel Spass gemacht. Dann merkte ich, dass da auch ein Zusammenhang zu Joy Division besteht, die sich auch von einem Kapitel, «Shadowplay» glaube ich, inspirieren liessen. Der Name ist aufgetaucht und machte Sinn für das, was wir in der Zeit durchmachten. Damit meine ich den Verlust von Freunden und Familienmitgliedern. So empfinde ich es. Für die anderen ist es vielleicht etwas anders. Ich denke, dass Geister, die Präsenz und der Rauch von Verstorbenen immer da sind – auch jetzt oder eben beim Abendessen. Es ist eine Symbolik und das ist, was wir immer versuchen zu machen. Jetzt habe ich wahrscheinlich schon zu viel darüber erzählt und die ganze Sache für andere ruiniert. (lacht) Die Leute sollten sich jedoch ihr eigenes Bild dazu machen.  

Der Song «Lose Yourself» sticht beim Album heraus, da er nicht unbedingt typisch für BRMC ist und etwas an Sigur Ròs erinnert. Ist da was dran?

 

Peter: (lacht) Genau! Absolut! Fuck yeah! Wir haben da von ihnen geliehen und gestohlen. Als wir getourt sind, haben wir eine Jònsi-Show gesehen. Wir mögen Sigur Ròs seit Beginn und waren gleich Fans. Das Interessante ist, dass ich den Song als echte Erlösung sehe, da es bei uns ähnlich ist, aber wir nie wirklich einen kompletten Song gemacht haben, der so wunderschön und ausgedehnt ist. Bis zu dieser Zeit haben wir nie so etwas gemacht und auch nie so aufgenommen – wir wussten nicht mal, ob wir überhaupt so aufnehmen wollten. Wir haben uns dann angestrengt und versucht, die Schönheit eines Songs einzufangen und auszubeuten. Er ist auf jeden Fall anders, als die anderen Songs.

 

Robert, du bist nach dem Tod deines Vaters bei den beiden Comeback-Konzerten seiner Band The Call eingesprungen. Wie war es für dich, mit ihnen zu spielen?

 

Robert: Es war beängstigend und einschüchternd, machte aber gleichzeitig auch Spass. Es war eine Ehre mit ihnen zu spielen, denn sie sind grossartige Musiker und waren auch immer ein Teil meines Lebens, seit ich mich erinnern kann. Als wir zum ersten Mal zusammen kamen mit der Idee, dies zu machen, fühlte es sich richtig an, die Musik wieder mit Leuten zu teilen. Dies hat mich irgendwie auf dem falschen Fuss erwischt - im positiven Sinn, und ich fühlte mich auch gebraucht. 

Peter: Es machte echt Spass, zuzusehen. Ich war beim zweiten Konzert dabei und beim ersten schaffte ich es irgendwie nicht – jedoch weiss ich nicht mehr genau weshalb. 

Wird es vielleicht noch mehr The Call-Auftritte geben?

Robert: Es gibt natürlich immer die Chance, dass noch mehr Auftritte kommen, das weiss man nie. In Oklahoma gibt es einen alten Veranstaltungsort, der Cain’s heisst und über den es eine Dokumentation geben wird. Die Karriere von The Call startete gewissermassen an diesem Ort. Es gibt eine Idee, für die Dokumentation dort einen Song mit den Jungs zu spielen, aber das ist bis jetzt bloss eine Idee. Es wird eine Art All-Star-Abend geben im Cain’s mit den Bands, die dort gespielt haben.

 

Peter: Das wäre grossartig!

 

Vor ein paar Tagen kam das MP3 des Live Albums heraus und eine DVD wird noch folgen. Das Ganze wurde mittels Crowdfounding finanziert, bei dem man verschiedenste Sachen erwerben konnte. Warst du hier auch involviert?

 

Robert: Wir wollten einen Weg finden, diese Abende mit mehreren Leuten zu teilen und nicht bloss mit denjenigen, die dort waren, denn es ist nicht sicher, ob es jemals wieder Konzerte geben wird. Das Ganze zu filmen, machte also Sinn. Das Geld nicht zu haben, war jedoch die andere Realität, weshalb wir mit Crowdfounding arbeiteten, damit die Leute helfen konnten, das Projekt zu realisieren. Es war sehr schwierig, den Ton und das Video zu bearbeiten. Es dauerte Ewigkeiten. Wir wurden jetzt mit dem Audio-Teil fertig und ich denke das Video wird in etwa zwei Wochen kommen. Die Leute, die daran arbeiteten, hatten einige familiäre Notfälle, was das Projekt zusätzlich etwas verzögerte. Aber hoffentlich haben die Leute, die gespendet haben, Verständnis dafür.

 

Ihr gebt extrem oft Konzerte, gefühlt mehr als viele andere Bands. Selbst nach Michael Beens Tod am Pukkelpop Festival, habt ihr nur wenige Tage darauf in Winterthur gespielt. Was gibt es euch, live zu spielen?

 

Peter: Ich denke nicht, dass wir mehr spielen, als andere Bands. Es gibt so viele Bands, die nicht wahrgenommen werden, aber extrem viel spielen, wir sind nicht die einzigen, die das machen. Vielleicht sind wir aber im Moment auf eine Art die lautesten und werden eher wahrgenommen. Wir hatten aber vorher auch drei Jahre Pause. Also man kann nicht sagen Pause, denn wir waren am Schreiben, aber waren für zwei Jahre nicht auf Tournee. 

Robert: Es gibt wohl keinen anderen Job, bei dem man zwei Jahre lang Ferien machen kann! Man kann sich also über unseren Job nicht beklagen. Wir sind für die Arbeit da, wenn sie da ist, wenn die Leute da sind und uns spielen sehen wollen. Das ist eine Leidenschaft und ein Geschenk. Manchmal sitzen wir dann dafür jahrelang zu Hause rum und tun relativ wenig, stimmen unsere Gitarren und versuchen Songs zu schreiben, mit denen wir dann im Jahr darauf auf Tour gehen können. 

Peter: Wir werden nicht im Radio gespielt und das ist unser Ding, das Album am Leben zu erhalten. Wir glauben daran und arbeiten so hart wie möglich, damit möglichst viele das Album hören. Dabei kommen wir manchmal auch sehr nahe ans Limit und haben das Gefühl, dass wir nicht mehr weitermachen können. 

Im letzten Jahr habt ihr fünf Konzerte in der Schweiz gespielt. Vier davon waren Festivals. Sind für diesen Sommer auch noch Festivals geplant?

 

Robert: In diesem Sommer nicht. Es wird sicher noch ein Sommer vergehen, bis wir wieder herumreisen. Jedes Festival ist etwas Spezielles und es sollte sich nicht danach anfühlen, dass immer dieselben Bands spielen, das würde sonst die spezielle Atmosphäre wegnehmen.

 

Black Rebel Motorcycle Club - «Hate The Taste»

 

Hansjürg Stämpfli / So, 09. Mär 2014